Soziale Mischung in der Stadt

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Projektdaten

Jahr: 2014
Ort: Stuttgart
Auftraggeber: Wüstenrot Stiftung
Herausgeber: Gerd Kuhn/ Tilman Harlander
Beteiligte:
Gerd Kuhn Tilman Harlander

Die soziale Mischung in den Städten ist in den letzten Jahren wieder in der öffentlichen Diskussion angekommen. Sie zu erhalten oder zu stärken, ist ein Thema, das in der Praxis der städtischen Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern so komplex, teilweise zugleich auch so widersprüchlich wirkt, dass für eine substanzielle, ausgewogene Betrachtung eine umfassende und weitreichende Bearbeitung erforderlich ist.

Mit fundierten Impulsen und empirischen Beobachtungen will dieses Buch, das Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojekts der Wüstenrot Stiftung ist, zur Diskussion mit fundierten Impulsen und empirischen Beobachtungen beizutragen.

In einem wurde ein umfassender Bogen geschlagen, der von historischen Analysen über systematische Untersuchungen der aktuellen Situation und über zahlreiche Länderstudien und internationale Fallbeispiele bis zu einem Vergleich unterschiedlicher nationaler Wohnungs- und Mischungspolitiken in Europa und in außereuropäischen Ländern (USA, Brasilien, Korea, China, Ägypten) reicht. Neben empirischen Studien und trugen eine Reihe von Experten aus der Praxis von Wohnungswirtschaft und Stadtentwicklung mit ihren spezifischen Erfahrungen zur besseren Einschätzung von Aufgabe und Situation bei.

Begriffe wie Gated Community als Synonym für homogene, abgeschlossene Wohnquartiere oder Gentrifizierung als Beschreibung eines wachsenden (Verdrängungs-)Wettbewerbes in milieubedingt besonders begehrten Lagen oder Segregation als Ausdruck für wachsende Entmischung und räumliche Trennung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen werden nicht mehr nur in der fachlichen Debatte verwendet. Die Erörterung neu entdeckter Phänomene in der Stadtentwicklung gewinnt auch auf der medialen Agenda an Gewicht.

Die erkennbaren Prozesse ähneln in ihrer Struktur den Auswirkungen des demografischen Wandels. Sie verlaufen in kleinräumigen Maßstäben parallel zueinander und können sich dennoch in ihrer Wirkungsrichtung und in ihren Ergebnissen voneinander unterscheiden. Zu beobachten sind in Deutschland aktuell sowohl soziale Entmischung und dynamisch zunehmende Leerstände in bestimmten Stadtteilen als auch ökonomischer Verdrängungsdruck und große Nachfrageüberhänge in besonders attraktiven Lagen, vor allem in weiterhin wachsenden Agglomerationsräumen.

Diese Ambivalenz der Gesamtentwicklung resultiert auch aus den Erfolgen einer gezielt gestärkten Reurbanisierung, die in prosperierenden Regionen zu einer steigenden Nachfrage urbaner Standorte geführt hat. Die neue Attraktivität des Wohnens in den Städten erzeugt in begehrten Lagen höhere Preise und kann bewirken, dass ökonomisch schwächere Haushalte diesen Anstieg nicht mittragen können. Obwohl dann der Zuzug neuer, oft jüngerer Bevölkerungsgruppen zunächst die soziale Mischung in diesen Quartieren in der Regel erhöht, kann daraus in anderen, benachbarten Quartieren ein Entmischungsprozess verstärkt werden, dessen Auswirkungen die Ausgewogenheit der sozialen Zusammensetzung gefährdet. Einfache Handlungskonzepte gibt es angesichts dieser Komplexität und gegenseitigen Abhängigkeiten nicht. Stattdessen wächst der Bedarf an einer breiten und facettenreichen Diskussion über die Aspekte und Herausforderungen in der Stadtentwicklung von heute und morgen.

Aufgrund der wachsenden globalen Verflechtungen kann eine national geführte Debatte nur einen Baustein in einer weiter gefassten Betrachtung darstellen. Ohne den Zusammenhang mit den internationalen Entwicklungen, ohne einen Vergleich mit den Auffassungen und Haltungen unserer weltweiten „Nachbarn“ und den global mit diesem Thema verbundenen Herausforderungen können Ausmaß und Bedeutung der hiesigen Prozesse und Veränderungen nicht adäquat eingeschätzt werden.